März/April 2021
Die letzte Fahrt ins Tal. Oft will man schnell hinunter und ist mit dem Kopf schon im Auto. Abkürzungen kommen da gelegen. Das bringt oft ein Verlassen des organisierten Schiraumes mit sich. Was aber, wenn genau dann ein Unfall mit Folgen passiert? Haftet dafür ein Pistenbetreiber?
In einer aktuellen Entscheidung vom 28.1.2021 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) die Grundsätze der Haftung eines Pistenbetreibers festgehalten. Ein Schifahrer kürzte am Weg zum Tal durch freies Gelände ab und stürzte im Tiefschnee über eine kaum sichtbare Bank, wodurch er sich Verletzungen zuzog. Der OGH wies die Schadenersatzklage ab. Er hielt an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Eine Haftung des Pistenbetreibers ist nur für den von ihm organisierten Schiraum gegeben. Damit meint der OGH die vom Pistenbetreiber ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten und die ausdrücklich gewidmeten Schirouten. Nur diese Teile hat der Pistenbetreiber gegen erkennbare Gefahren zu sichern. Der darüber hinausgehende, also der freie Schiraum, ist von dieser Verkehrssicherungspflicht des Pistenbetreibers nicht umfasst.
Das Argument des Schifahrers, dass die Abkürzung bereits von mehreren Spuren durchzogen war und regelmäßig auch von anderen Schifahrern benützt wird, sodass ein „pistenähnliches“ Gelände vorliegen würde, wurde vom OGH abgewiesen. Nur deshalb, weil eine Mehrzahl von Schifahren von einer markierten oder durch Präparierung gewidmeten Piste auf eine nicht markierte und nicht präparierte „Abfahrt“ ausweicht, entsteht dadurch für diesen Geländeteil keine Verkehrssicherungspflicht des Pistenbetreibers. Das wäre nur dann anders, wenn ein Schifahrer nicht erkennen könnte, dass er von einer markierten und gewidmeten Piste abweicht und in das freie Gelände einfährt.
Der zitierten Entscheidung des OGH lag aber zugrunde, dass für einen durchschnittlichen Schifahrer klar erkennbar war, dass die unpräparierte Abkürzung nicht mehr Teil der präparierten Piste war. Der Kläger war sogar mit dem Schigebiet bestens vertraut.
Fazit: Bei Verlassen des organisierten Schiraumes haftet der Pistenbetreiber für Unfälle und deren Folgen grundsätzlich nicht, es sei denn, es ist für den Schifahrer nicht erkennbar, dass er die gesicherte Piste verlässt.
Rechtsanwältin Dr. Renate Palma