Der Dieselskandal - was sagt der Oberste Gerichtshof?
März/April 2023
Seit dem Jahr 2015 gab es nicht viele Skandale, die die Medien so beschäftigten, wie der „Dieselskandal“. Zur Erinnerung: VW hat gegenüber der amerikanischen Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests eingeräumt. Durch die dabei eingesetzte Software wurden auf dem Prüfstand geringere Abgaswerte angezeigt als das Fahrzeug im realen Betrieb auf der Straße ausstieß. Auch ein Softwareupdate im Nachhinein vermochte diesen Mangel nicht zu beheben. Viele Autokäufer fühlten sich daher betrogen, weil sie für ein Fahrzeug mit geringem Abgasausstoß bezahlt haben, das dann aber doch nicht so „sauber“ war, wie es vom Hersteller behauptet wurde. Es folgte eine Flut an Klagen gegen den Autohersteller, aber auch gegen Autohändler als direkte Vertragspartner der klagenden Kunden. In vielen Entscheidungen setzten sich die Gerichte zunächst mit Formalfragen auseinander, wie die internationale Zuständigkeit oder der Frage, wer beklagte Partei sein konnte.
Nunmehr liegt ein erstes Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor, in dem sich dieser mit der Frage auseinandersetzt, ob ein Autokäufer aus den oben genannten Gründen das Recht hat, den Vertrag zu wandeln, also aufzulösen. Bisher hat die Autoindustrie dies ja vehement verneint und abzuwenden versucht. Der OGH stellt nun klar, dass der Autohändler, bei dem das Fahrzeug angekauft wurde, verpflichtet ist, dem Autokäufer den Kaufpreis zurückzuzahlen, dies Zug um Zug gegen Herausgabe des Autos. Das heißt, dass der Autokäufer den Kaufpreis samt Zinsen zurückbekommt, wenn er auch das Fahrzeug an den Händler zurückstellt. Der OGH nimmt aber auch den Autokäufer in die Pflicht. Schließlich konnte der Autokäufer das Fahrzeug ja grundsätzlich nutzen. Würde er den gesamten Kaufpreis zurückbekommen, dann hätte er faktisch über lange Zeit hindurch ein Fahrzeug nutzen können, ohne letztlich dafür etwas bezahlen zu müssen. Diesen Nutzen muss sich der Autokäufer anrechnen lassen. Zur Frage, wie der Nutzen betragsmäßig genau zu berechnen ist, kommt der OGH für einen Neuwagen zum Schluss, dass eine lineare Anrechnung stattfindet. Es ist der Kaufpreis auf die zu erwartende Laufleistung des Neuwagens umzulegen. Je mehr Kilometer der Autokäufer zurücklegt, desto mehr muss er sich auch anrechnen lassen. Dass der Neuwagen am Anfang schneller an Wert verliert, ist dem Autokäufer aber nicht anzulasten, weil er die Rückabwicklung des Vertrages nicht verschuldet hat.
Damit hat der OGH eine Richtschnur vorgegeben. Eine genaue Umlegung auf den Einzelfall ist aber unabdingbar. Zur Frage, ob und inwieweit der dahinterstehende Fahrzeughersteller haftet, ist eine endgültige Entscheidung noch ausständig.
Rechtsanwältin Dr. Renate Palma